1.01.2011

Mutter und Tochter erfolgreich bei Nachsuchen

 

Ayla und ihr B-Wurf - in der Mitte Brix und rechts Bellis

Ayla und ihr B-Wurf - in der Mitte Brix und rechts Bellis

Samstagmorgen, 8.45 Uhr, 20 August. Das Handy klingelt. „Rüdiger, am Gondert hat ein Gast einen Bock beschossen. Kannst du dich bitte um die beiden kümmern. –Und nimm Ayla mit.“ Hans, der großzügige Pächter des gemeinschaftlichen Jagdbezirkes im Hintertaunus hatte ein knappes Dutzend Gäste –zumeist Jungjäger- eingeladen, um ihnen die Chance auf einen, zum Teil sogar ersten Rehbock zu eröffnen.

Gerade hatte ich zwei Gäste von ihrem Morgenansitz abgeholt, von denen einer Waidmannsheil auf einen braven Sechser gehabt hatte. Der auf 80 Gänge beschossene am Waldrand verhoffende Bock war nach dem Schuss mit hoher Flucht im Bestand verschwunden. Der Jungjäger hatte weisungsgemäß auf mich gewartet und gemeinsam gingen wir zum Anschuss, wo wir sofort hellrot blasigen Schweiß fanden. Vom Bock war im mit Hainbuchen- und Fichtenaltholz bestandenen Steilhang aber nichts zu sehen. „Lungenschweiß! Den haben wir gleich“, beruhigte ich den Fiebernden. Zu seinem Erstaunen holte ich allerdings nicht die erfahrene Westfalenterrierhündin Ayla von der Heide aus dem Wagen, sondern schnappte mir den erst drei Monate  alten Welpen Bellis vom Lahnfels. Natürlich verzichtete ich bei dieser Totsuche auf den für den Welpen viel zu schweren Schweißriemen und ließ die Kleine am Anschuss frei suchen. Es war ihre erste Naturschweißarbeit, sie hatte allerdings schon einige Schleppen und Tropffährten gearbeitet. Vom Anschuss machte Bellis einige Meter nach links, einige Meter nach rechts, suchte Blickkontakt zu mir, der ich mich gar nicht rührte, bögelte sich dann auf der sichtbaren Schweißfährte ein, um dann – von mir bestärkt – den Steilhang herunterzusuchen. Zielstrebig arbeitete sie einen Bogen aus; ich konnte ihre Arbeit durch Schweiß bestätigen, um dann nach etwa 70 Meter vor ihrem ersten, längst verendeten Rehbock zu stehen. Nach kurzem Stutzen stürzte sie sich – von mir auch angerüdet – auf ihre Beute und fing an am Ausschuss zu zupfen.

Natürlich war das keine schwierige Nachsuche, doch Bellis hatte gezeigt, dass sie kapiert hatte, worum es ging und sie hatte den nachfolgenden Jägern Respekt vor Westfalenterrierwelpen abgerungen.

Als wir am Auto waren, erhielt ich den Anruf von Hans. Nachdem ich Jäger und Bock beim Jagdhaus abgeliefert hatte, fuhr ich zum Gondert, einem auf drei Seiten von steilen Lahn- und Jammertalhängen umgebenen  Feldteil. Der Gast, ebenfalls Jungjäger, hatte um 8.15 Uhr von einer hohen Kanzel aus einen auf einer von Sauen platt gemachten Fehlstelle im Weizen äsenden Bock beschossen. Den vermeintliche Anschuss hatte er durch einen Bruch markiert, allerdings keinen Schweiß gefunden. Auf den Schuss wäre der Bock etwa 70 Meter durch den Weizen gestürmt, um dann im Wald zu verschwinden. Ein Zeichnen konnte er nicht beobachten. „Aber ich war sowieso so nervös wie nie. Ich musste endlos warten, bis der Bock endlich frei und breit stand. Das Jagdfieber hat mich total gebeutelt und ich weiß nicht genau, wo ich abgekommen bin.“ Ich bat den Gast zunächst einmal mich vom Hochsitz aus genau einzuweisen. Dabei stellte sich heraus, dass sein Anschussbruch völlig falsch stand. Doch auch am von ihm nun angegebenen Anschuss fand sich kein Schweiß. Mir glänzte nur überall frische Schwarzwildlosung entgegen. Ich konnte meinem Mitjäger nicht viel Hoffnung machen. Nichtsdestotrotz holte ich Ayla, legte ihr die Schweißhalsung an, um eine Kontrollsuche zu machen, vor allem auch weil mich das Gefühl nicht los ließ, dass der unerfahrene Jäger mich möglicherweise immer noch nicht an den richtigen Anschuss eingewiesen hatte. Die Sauen hatten hier einige Stellen platt gemacht!

Durchaus interessiert bewindete Ayla die Fehlstelle, was wegen der sicher frischen Sauwittrung auch nicht verwunderlich war. Danach zog sie kreuz und quer durch den Weizen, ohne dass ich das Gefühl hatte, dass sie eine Wundfährte hielt. Trotzdem kam sie der Stelle näher, die mir der Schütze als Einwechsel in den Wald bezeichnet hatte. Außerhalb des Weizens suchte sie auf dem parallel zum Waldrand verlaufenden Feldweg etwa 80 Meter links, um dann umzukehren und etwa 30 Meter rechts zu suchen. Ich konnte auf dem Grasweg trotz aufmerksamer Suche keine Pirschzeichen entdecken. Ayla suchte nochmals den Feldweg ab. Plötzlich „rastete“ sie ein, dabei geht fast spürbar ein Ruck durch den Hund und man hat als Führer das Gefühl: „Nun ist sie drauf!“ Zielstrebig zog die Hündin in den Wald. Doch schon machte sie wieder einige Widergänge, um dann wieder anzuziehen. Intensiv sog sie dann kurz verhoffend Wittrung vom Boden – ihre Art zu verweisen. „Bleib!“ raunte ich ihr zu, um die Stelle genauer zu untersuchen. Tatsächlich glänzte mir noch feucht ein etwa Stecknadelkopf großer, mittelroter Schweißtropfen entgegen. Ich legte den Schweißriemen neben Ayla auf den Boden, was für sie das Zeichen zum Ablegen und Warten ist, denn ich wollte den Jäger informieren.  Der war auch schon bis zum Waldrand nachgerückt und meine Nachricht brachte ein wenig Hoffnung in sein bis dahin doch sehr zerknirschtes Gesicht. Ich bat ihn, immer am letzen von uns bestätigten Schweiß stehen zu bleiben, damit ich mit Ayla gegebenenfalls zurückgreifen könnte.

Dann setzte ich die Hündin wieder an. Schon wenige Meter weiter verwies sie wieder einen kleinen Schweißtropfen und ein Stück weiter einen Kleinfingernagel großen Knochensplitter. Schweiß und Splitter deuteten auf einen Vorderlaufschuss hin. Mir schwante Übles, denn jede Nachsuche in diesen steilen, von teils senkrechten Felswänden durchzogenen Hängen ist Knochenarbeit, zumal an lichten Stellen Brombeeren, Schwarzdorn und Ginster die Arbeit zusätzlich erschweren. Und jetzt einen Vorderlaufschuss, der dann wohl noch zu einer Hetze führen würde…!? Naja, aber so weit war es noch nicht, erst einmal mussten wir an den Bock herankommen.

Und genau das gestaltete sich schwieriger als erhofft. Der Hund führte mich schon bald in den Steilhang. Da es keinerlei Bestätigung gab, wurde ich unsicher. Der Hund kam auf einen kaum frequentierten Wanderweg und suchte wieder in beide Richtungen. Ich hatte das Gefühl, dass er die Fährte verloren hatte und griff auf den letzten Schweiß zurück. Das bedeutete natürlich wieder den Steilhang hochzuklettern. Ayla nahm die Fährte wieder auf und brachte mich wieder auf den Wanderweg, wo sie mir nun ein kleines Tropfbett verwies. Also doch, sie war richtig. Hatte ich es vorher übersehen? Nun zog sie auf einem Sauwechsel in die Felsen. Sollte ein laufkranker Bock hier durchziehen? Kein Schweiß, nichts. Wieder glaubte ich dem Hund nach einigen Minuten nicht mehr und trug sie erneut ab. Am Tropfbett, wo auch mein Mitjäger hoffend stand, setzte ich sie wieder an. Wieder zog sie in die Felsen runter. Nun ließ ich sie gewähren. Was sollte ich auch sonst machen. Zweimal hatte ich sie schon abgetragen, und zweimal hatte sie mich eines Besseren belehrt. In diesem schwierigen Terrain konnte ich auch kaum auf Schweiß achten, hatte ich doch genug damit zu tun aufzupassen, wohin ich meine Füße setzte, um nicht auszurutschen. Trotzdem konnte ich einen Sturz nicht verhindern, bei dem ich mir den Beckenknochen übel prellte und meiner R93 einen weiteren Schmiss zufügte. Mein Mitjäger zog vor oberhalb der Felsen zu bleiben.

 Ayla folgte nun einem Wildwechsel parallel zum Hang, der durch Brombeeren und Ginster führte. Erst vor zwei Wochen war ich diesem Wildwechsel in entgegen gesetzter Richtung gefolgt, um einen Frischling mit Wildbretschuss nachzusuchen, was damals leider erfolglos blieb, da sich Frischlinge erfahrungsgemäß kaum einmal stellen, sondern bis zum Umfallen bei der Rotte bleiben. Ayla wurde nun immer sicherer. Ruhig zog sie vor mir her, ließ mir auch immer wieder Zeit mich aus den Fängen der Dornen zu befreien, die sie natürlich nicht aufhalten konnten. Hier fanden wir auch das erste Wundbett mitten dem Wechsel- feucht glänzend. Das gab mir Auftrieb, wir kamen dichter

Endlich kamen wir in lichteren Hochwald. Die Hündin führte mich weiter parallel zum Hang, verwies wieder Schweiß. Einzige Hindernisse waren nun einzelne umgestürzte Bäume, ansonsten kamen wir zügig voran. Dann lag Ayla plötzlich heftiger im Riemen und zog hangauf. Ehe ich richtig realisieren konnte, was los war, sprang sie ein und ich sah über mir den Bock im Wundbett sitzen. Im selben Moment kam der Bock mit schlenkerndem Vorderlauf vor dem Hund hoch und stürmte bergab. Doch da stand ich und versuchte noch die Büchse vom Rücken zu bekommen. Ohne sicheren Stand reichte eine leichte Berührung durch den Bock um mich straucheln zu lassen. Mir entglitt der Riemen. Und als ich endlich den Püster im Anschlag hatte, war an eine sichere Schussabgabe ohne Gefährdung des Hundes nicht zu denken. Lauthals verschwand Ayla, immer wieder den Bock anspringend, um ihn nieder zu ziehen. Weg waren sie und ich stand mit mir selbst hadernd allein im Bergwald. Dümmer konnte es nicht kommen: Der Hund hetzte den Bock mit Schweißriemen! Sch…  Es half nichts. Ich hetzte hinterher. Schnell konnte ich den Laut nicht mehr vernehmen. Aber ich hatte die Richtung. Die Höhe haltend lief ich so schnell ich konnte, durchquerte erst eine kleine Schlucht, wobei ich auf dem hintern runterrutschte und auf allen Vieren wieder hochkletterte, nicht ohne einmal wieder runterzurutschen. Oben musste ich erst einmal wieder zu Atem kommen. Mein hämmernder Puls nahm mir mein Hörvermögen. Hundelaut? Nein. Weiter. Auf der nächsten Felsrippe machte ich wieder eine Hörpause. Als sich mein Puls etwas beruhigt hatte, konnte ich tatsächlich meinen Hund hören. Hetzlaut? Nein, Standlaut. Ich lief weiter, der Laut kam dichter, erscholl vorn links unterhalb von mir. Jeden Moment musste ich nun damit rechnen den Bail vor mir zu sehen. Langsam versuchte ich für eine sichere Schussabgabe wieder zu Atem zu kommen. Dann sah ich unterhalb von mir die Hündin, die immer wieder nach vorn Ausfälle machte, den Bock konnte ich noch nicht entdecken. Erst als ich die Position veränderte sah ich den Bock, sein Hinterteil von einer Felswand gedeckt, vor dem Hund stehen, diesen durch sein gesenktes von Spießen bewehrtes Haupt und Ausfälle auf Distanz haltend. Ein Fangschuss war nicht möglich. Zum einen wäre der Hund gefährdet, zum anderen bot sich auf Grund der Steillage kein sicherer Kugelfang, da direkt unterhalb das Kloster Arnstein lag.  Ich hoffte, dass Ayla den Bock weiter beschäftigen würde, bis ich eine Position für einen Fangschuss gefunden hätte. Letztlich konnte ich auf 30 Meter über Kimme und Korn den Bock strecken. Nach kurzem Zögern machte Ayla sich über den noch schlegelnden Bock her, ehe ich sie voller Stolz über ihre prima Leistung abliebeln konnte.

Zum Glück waren wir schon ganz dicht an der Straße Obernhof – Seelbach, wo der verschwitzte und verdreckte Nachsuchenführer und Hund von einem freundlichen Autofahrer aufgenommen und zum Anschuss zurückgebracht wurden. Dort warteten mittlerweile der Jagdpächter und weitere Gäste, die den Schuss vernommen hatten. Groß war das Hallo, als wir das Waidmannsheil melden konnte.

Fakten:

Beginn der Nachsuche:   9.05 Uhr

Ende der Nachsuche:    11.00 Uhr

Riemenarbeit:               ca. 400 Meter

                                      2 Wundbetten

Hetze:                            ca.450 Meter

                                      Stellen und Fangschuss

Wildart:                         Rehbockjährling, 14 Kilogramm

Schuss:                          Hoher Vorderlaufschuss ohne Treffen der Kammer

Besonderheiten:             Anschuss unbekannt

                                      Anfangs so gut wie kein Schweiß

                                       Hetze mit Riemen

Wegen der hervorragenden Leistung vor erfahrenen Zeugen reichte ich diese Arbeit beim „Verband der Züchter und Freunde des Westfalenterriers“ für das Leistungszeichen „:“ (erfolgreich auf natürlicher Rotfährte geprüft)  ein. Ayla bekam vom Verband als erster Westfalenterrier dieses Leistungszeichen zugesprochen.

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