14.07.2009

Aylas „großer“ Wurf

Der Weg zum Westfalenterrier

Vorausgeschickt sei: Wir sind keine Rassefanatiker und haben immer mehrere Jagdhunde gehalten. Am Anfang führte die Jagdgelegenheit uns zu den großen Vorstehhundrassen.

Dann – als das Schwarzwild sich stärker verbreitete – gesellten sich Jagdterrier dazu. Mann, was war ich anfangs stolz, Terrier mit doppeltem Härtestrich, mit 4h an Fuchs und Dachs zu führen. Doch schon bald zeigte sich die Kehrseite der Medaille: Wenn die beiden Rüden, die wir in der Koppel führten, nichts fanden, was sie gemeinsam ins Jenseits befördern konnten, fielen sie übereinander her. Das führte dazu, dass die Badewanne immer voll kaltem Wasser stand, um die gnadenlos verbissenen Streithähne zu trennen. Trotzdem bekamen wir beim Tierarzt Mengenrabatt auf Nähseide. Unterm Strich waren wir nach dieser Episode vom Wunsch nach „bedingungsloser Schärfe“ kuriert. Terrier, nein danke!?

Irgendwann hörte meine Frau von Westfalenterriern, von leichtführigen, führerbezogenen und trotzdem passionierten Jagdhelfern. Nicht dass uns der Slogan „Hunde mit Köpfchen für Jäger mit Köpfchen“ persönlich ansprach –warum auch? -, aber die Rassebeschreibung machte uns neugierig. So setzten wir uns mit dem „Stammvater“ der Rasse, Manfred Rüter, in Verbindung. Langer Rede, kurzer Sinn: Wenig später wurde unser Deutsch Kurzhaarrüde Flint von der Asseburg von einem Winzling namens Ayla von der Heide in Beschlag genommen. Das ungleiche Paar bildete schon bald ein „dreamteam“, nicht zuletzt, weil der Lieblingsschlafplatz Aylas auf dem ruhenden Flint war (siehe Vereinsheft vom  Juli 2003, Seite 28). Ayla entwickelte sich zu einem zwar vorsichtigen, aber passioniertem Lautjager an Sauen, der von meiner Frau erfolgreich auf der Brauchbarkeitsprüfung geführt wurde. Es ist immer wieder beeindruckend, wenn diese nur 35 Zentimeter kleine Hündin Kanin oder Ente von der Schleppe oder aus dem Schilfwasser apportiert. Manchmal hat man dabei den Eindruck, als hebe sie unter dem Gewicht des Wildes hinten ab. In der Praxis erledigte sie auch anfallende Nachsuchen zuverlässig.

Der Wunsch zu ziehen

Kein Wunder, dass in uns der Wunsch wuchs mit ihr zu ziehen. So traf es sich gut, dass anlässlich einer Zuchtschau im Herbst 2003 im Saarland etliche Rüden vorgestellt wurden. Tolle Rüden waren dabei. Am besten gefiel uns der Sieger der Pfostenschau, der auch in der Praxis sehr erfolgreich geführte „Ben vom Hasenrech“, ein kapitaler, brandroter Rüde. Zwei Dinge ließen uns aber weiter suchen: Wir wollten gern einen rauhaarigen und möglichst kleineren Rüden. Manfred Rüter empfahl uns letztlich „Boris vom Zellerfeld“, einen im nördlichen Niedersachsen stehenden, sehr rauen jungen Rüde, der bei der Zuchtprüfung in Schleswig-Holstein mit seinem Führer Jens Matthies den Ia-Preis errungen hatte.

Im Januar 2004 begann Ayla zu tropfen. Wir zählten die Tage und brachten die Hündin am 10. Tag nach Norddeutschland. Sofort zeigte sich der Rüde hoch interessiert und es kam auch gleich zum Hängen. Trotzdem ließen wir Ayla noch drei Tage bei der Familie Matthies, damit wir auch wirklich die fruchtbarsten Tage erwischten.

Im Januar ließ es sich Ayla natürlich nicht nehmen noch bei der einen oder anderen Jagd dafür zu sorgen, dass der Schwarzwildbestand reduziert wurde.

Am 45. Tag der Trächtigkeit wurde Ayla gegen Tollwut, Leptospirose, Parvovirose und Hepatitis geimpft. So erhalten die Welpen in den ersten Lebenswochen den optimalen Schutz vor diesen Seuchen.Dadurch ist die Belastung der Welpen geringer.

Vorbereitungen

Voller Vorfreude baute ich eine Wurfkiste mit den Maßen 60x80x40 Zentimetern. Wir pinselten sogar schon den Zwingernamen „vom Lahnfels“ drauf, hatte Ayla doch gerade hier in den steilen Lahnhängen erfolgreich gejagt.

In die Wurfkiste legten wir als unterste Schicht Wellpappe, darüber eine saugende, nach unten wasserdichte Krankenunterlage aus Vlies, darüber ein so genanntes Dekubitusfell, das jede Feuchtigkeit einfach auf die Vliesunterlage durchlässt und so nie feucht bleibt (alles aus dem Sanitätsfachhandel). So würden die Welpen immer trocken liegen.

Es wird Ernst

Einige Tage vor dem errechneten Wurftag, am 61. Tag der Trächtigkeit stellen wir die Wurfkiste ins Wohnzimmer, damit wir die Hündin immer beobachten können. Schon den ganzen Tag über will Ayla nicht fressen, ja nicht mal spazieren gehen.

Nachmittags drängt sie alle paar Minuten in den Garten, setzt sich wie zum Nässen hin, ohne dass etwas kommt. Wir gehen schon immer mit, aus Angst, dass sie aus Versehen einen Welpen im Garten verliert. Schon einige Tage vorher hat meine Frau damit angefangen, die Normaltemperatur zu messen. Sie lag bei 38,5°C. Vor dem Wölfen sinkt die Temperatur stark bis auf 36,8°C. Wenn sie dann wieder steigt, wird es ernst. Wir messen bis 37,3 °C und dann ist es so weit. Die Hündin wird sehr unruhig. Offensichtlich fühlt sie sich im Wohnzimmer nicht wohl, sie will unbedingt wieder in ihre normale Kiste im Hunderaum. Liebevoll bringen wir sie immer wieder in ihre Wurfkiste zurück.

Aylas C-Wurf: Am Ende waren es drei Welpen und zwei davon schwarz

Dann um 18.44 Uhr tritt eine relativ klare, leicht blutige Flüssigkeit aus der Scheide aus: Fruchtwasser, die äußere Fruchtblase ist geplatzt. Wir atmen das erste Mal auf. Wenn das Sekret grünlich gewesen wäre, hätte dies auf ein Loslösen der Plazenta aus der Gebärmutterschleimhaut hingedeutet. Hier wäre der Tierarzt genauso nötig gewesen, als wenn eine übel riechende oder gar eitrige Flüssigkeit ausgetreten wäre. Ayla liegt hechelnd auf der Seite und beleckt sich immer wieder die Schnalle. Wehen! Minuten später erscheint erst die Fruchthülle und schon flutscht der erste Welpe raus. Meine Frau öffnet helfend die Hülle, damit der Kleine Luft bekommt. Der Winzling hängt an der Nabelschnur, wird sofort von Ayla geleckt, ist schnell aktiv und robbt auf die Hündin zu, winselt und saugt. Ayla durchbeißt die Nabelschnur und  frisst die Fruchtblase. Als wenig später die muchelig nach gammeligem Blut riechende Nachgeburt kommt, wird auch diese herunter geschlungen.

Im Halbstundentakt kommen nun vier Welpen. Beim zweiten gibt es eine Schreckminute: Der Kleine liegt erst da wie tot, wird von meiner Frau ruckzuck von der Fruchtblase befreit und vorsichtig ein bisschen durchgeknetet zur Reanimation. Sollte er tatsächlich tot sein?  Doch dann gähnt der Neugewölfte plötzlich herzhaft, uns fällt ein Stein vom Herzen. Die beiden folgenden suchen sofort erfolgreich nach einer Zitze, während sie  von der Hündin intensiv abgeleckt werden. Wir ermitteln und notieren  Gewichte zwischen 220 und 260 Gramm bei den drei Rüden und der zuletzt gewölften Hündin, die die schwerste ist.

Gebannt warten wir auf weitere Welpen. Doch die Hündin wird immer ruhiger, vermittelt uns ganz deutlich das Gefühl: „Das war’s.“ Die vier Welpen liegen ruhig in der Wurfkiste, nuckeln zufrieden an den Zitzen oder schlafen.

 

Die Entwicklung der Welpen

Am nächsten Tag wird Ayla unruhiger. Dauernd schleppt sie mit den Welpen herum. Wenn wir auf dem Sofa sitzen, wird uns ein quietschender Welpe nach dem anderen gebracht. Einmal legt sie sogar dem DK Flint, der bislang immer nur angeknurrt wurde, einen Welpen in den Korb. Der guckt völlig irritiert, rührt sich vorsichtshalber aber gar nicht, bis die junge Mutter ihren Irrtum bemerkt und den Welpen lieber uns zuträgt. Wir deuten ihre Unruhe als das Verhalten einer jungen unerfahrenen Hündin und als Unbehagen. So quartieren wir die Welpenkiste in einen ruhigen Raum um, um der Hündin mehr Ruhe zu gönnen.

Ayla hält die Kiste super sauber: Kot wird sofort aufgefressen, sogar der Urin wird möglichst aufgeleckt. Den Rest saugt die täglich zweimal zu wechselnde Vliesunterlage auf. Die darüber liegende faserpelzähnliche Dekubitusunterlage wird alle drei Tage gewechselt und gewaschen – eine ideale Lösung.

Ayla erhält anfangs 5x täglich ihr Menü (Fertigfutter, gemischt mit Dosenfleisch, etwas Distelöl und Quark oder Joghurt). Allerdings muss manchmal ihr Futterneid durch die Anwesenheit von Flint angestachelt werden. Knurrend frisst sie dann, immer mit Blick auf den großen Kollegen.

Am 3. Lebenstag gibt es für die Welpen ein „einschneidendes“ Erlebnis. Sie werden kupiert. Die Tierärztin verlangt eine Bestätigung dafür, dass die Hunde später alle jagdlich geführt werden. Dann werden sie ohne Betäubung auf exakt 3,8cm kupiert – gemessen von der oberen Schwanzwurzel. Die Rutenspitze wird nach dem Veröden noch vernäht. Kurz gequietscht wird nur beim Vernähen.

Nach einer Woche kommt Ayla erstmals wieder auf einen kleinen Spaziergang mit und will sogar schon wieder „Stöckchen“ spielen. Immer noch scheidet sie ein geruchloses grünlich schwarzes Sekret aus, den so genannten Lochialfluss, Reste der Plazenta und abgestorbene Zellen von der vollständigen Reinigung der Gebärmutter. Spätestens nach 14 Tagen muss dies hellrot und schleimig werden, ansonsten läge ein Indiz für eine Gebärmutterentzündung vor. Auch die Zitzen müssen mindestens zweimal täglich kontrolliert werden. Bei Ayla zeigt sich nach 3 Wochen eine deutliche Erhitzung und Verhärtung einer Zitze. Der Tierarzt bestätigte unsere Befürchtung: Mastitis. Diese Entzündung der Milchdrüse ist für den Hund sehr schmerzhaft und muss sofort mit Antibiotika behandelt werden. Ayla kann so schon innerhalb eines Tages geholfen werden.

Die Entwicklung der Welpen wird von uns anfänglich täglich anhand der Gewichtszunahme dokumentiert . Am 15. Tag  blinzeln uns das erste Mal trüb verschleierte, bläuliche Augen entgegen. Die Ohren scheinen sich am 18. Tag etwas zu öffnen. Zum ersten Mal reagieren die Welpen auf das Kratzen an der Wurfkiste. Nach 3 Wochen werden die Augen zunehmend klarer und dunkler. Nun ist es auch an der Zeit den ersten Ausflug auf den Rasen bei Sonne vorzunehmen. Spätestens jetzt bei der Konfrontation mit völlig ungewohnter Umgebung werden die unterschiedliche Mentalitäten deutlich: Wer ist mutig, neugierig, wer  reagiert am deutlichsten auf Stimme und Hand, wer ist vorsichtig, zurückhaltend?

Nach 4 Wochen bieten wir als Ergänzungsfutter angerührte Welpenmilch an, die schon bald mit eingeweichten Welpenkroketten ergänzt wird.

Welpenprägung

Vor der Wurfkiste, die die Welpen inzwischen selbstständig verlassen können, weil wir ein Brett abgenommen haben, ist alles mit Zeitungspapier ausgelegt. Die Welpen lösen sich grundsätzlich nicht mehr in der Kiste sondern nur noch auf Zeitungspapier oder draußen im Garten, wo sie sich jetzt mit etwas über 4 Wochen immer öfter aufhalten. Sie kämpfen miteinander, mit Blättern, mit einem Rehlauf, einer Sauschwarte oder einfach mit dem eigenen Gleichgewicht…

Nach 6 Wochen baue ich eine 2m lange Holzröhre mit 10 cm Durchmesser als Kunstbauersatz. Sie verbindet den Zwinger mit dem Garten und wird schon am ersten Tag mehrmals durchlaufen, weil die Welpen unbedingt zu uns in den Garten möchten. Natürlich lassen wir sie auch immer wieder mit Flint zusammen – sogar, wenn dieser gerade frisst. Wir provozieren so kontrolliert eine Dominanzreaktion des Rüden, bei der die Flegel manchmal auch kurz aufquieken, wenn sie zwei Meter durch die Luft fliegen. So werden die Welpen frühzeitig sozialisiert, lernen andere Hunde zu respektieren.

Zur Früherziehung gehört auch, dass wir getrockneten Pansen aufweichen. Mit dem Wasser träufeln wir Futterschleppen, die von den Welpen schon bald sehr sicher durch den ganzen Garten gearbeitet werden. Natürlich nutzen wir auch jede Möglichkeit, um die Sprösslinge mit frisch geschossenem Wild in Verbindung zu bringen, ob nun Sau, Reh oder Kanin. Auch die so gezogenen Schleppen werden problemlos und freudig gearbeitet – kein Wunder,  wird die Belohnung ja nicht nur in Worten sondern auch durch Leckerlis am Ende ausgedrückt: Das Hundeinteresse geht nun mal durch den Magen. Besonders aufschlussreich für den Nachwuchs sind auch die Begegnungen mit unseren Frettchen und Hühnern sowie dem Gartenteich. Im Sinne einer friedlichen Koexistenz werden bei uns alle Tiere frühzeitig aneinander gewöhnt. So erreichen wir im Hofbereich zumindest ein diplomatisches Ignorieren.

hund_welpe

Nach 6 Wochen verabreichen wir die zweite Wurmkur. Der Tierarztbesuch wird natürlich auch für ein komplettes Durchchecken genutzt. Bei dieser Gelegenheit lassen wir auch gegen Parvovirose impfen. Erst mit etwa 3 Monaten empfehlen wir Impfung gegen die anderen Infektionskrankheiten wie Tollwut. Leptospirose und Hepatitis durchzuführen. So versuchen wir das nicht zu unterschätzende Impfrisiko zu reduzieren. Die Tollwutimpfung wird 4 Wochen später wiederholt, um eine sichere Grundimmunisierung zu gewährleisten. Studien haben nämlich ergeben, dass dies anderenfalls nicht gesichert ist.

Nach 7 Wochen wird dann von Manfred Rüter bei der Tätowierung begutachtet, ob die Welpen rau- oder glatthaarig werden. Dazu wird die Fangunterseite kontrolliert, ob einzelne längere Haare heraus gewachsen sind. Jetzt kann die Wurfanmeldung an Ralf Buran, den Zuchtbuchführer, erfolgen, damit er den Wurf registrieren und die Ahnentafeln ausstellen kann.

Nach 8 Wochen ist es dann so weit: Die Welpen gelangen in die Hände ihrer neuen Besitzer. Wir hoffen, alles getan zu haben, um sie optimal auf ihren jagdlichen Einsatz vorbereitet zu haben. Ob sie Hoffnungen erfüllen liegt nun im Geschick ihrer Führer.

PS: Das die „genetische Mischung“ stimmte, zeigte vor allem Axis vom Lahnfels, als er im April 2005 die Zuchtprüfung in Westfalen den Ia-Preis mit seinem Führer Hans Werda aus

Wittmund errang!

Zwischenzeitlich konnten auch andere Westfalenterrier aus dem Zwinger „vom Lahnfels“ ihre Qualitäten unter Beweis stellen. Allen voran der Rüde „Brix“ , der mit dem I.Preis bei der Zuchtprüfung und dem doppelten Härtestrich nicht nur bei Prüfungen, sondern vor allem in der täglichen Jagdpraxis als mein ständiger Begleiter brilliert. So kann ich ihn zur Nachsuche, beim Verlorenbringen von Feder- und Haarwild, am Bau auf Fuchs und Dachs genauso einsetzen wie bei der Drückjagd auf Sau und Rotwild.

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