Nach einem kräftigen Friesenfrühstück drängelt Klaus. Ich sei ja nicht nur zum Vergnügen hier. Der Stand für die Taubenjagd müsse vorbereitet werden – und da lässt Klaus nicht mit sich spaßen, ist er doch weithin als Spezialist für die Lockjagd auf Tauben und Krähen bekannt. In Berichten des Fernsehens und der Jagdzeitschriften konnte er schon seine Künste beweisen. Ich war gespannt!
Auf jeden Fall reicht für meinen ostfriesischen Freund kein Kleinwagen, wenn er zur Taubenjagd fährt: Die Heckklappe des Kombis frisst nacheinander einen Sack mit etwa 30 Locktauben, 7 Lockkrähen, ein autobatteriebetriebenes Taubenkarussell, einige Teleskopständer für schwingende Tauben und nicht zuletzt das Gestell für den Schirm samt Tarnnetz. Ein bisschen Platz bleibt noch für Jäger, Sitzrucksack, Wasserflasche, Flinte und („nimm man ein paar mehr mit“) Patronen.
Dem Gejammer der Landwirte musste endlich Abhilfe geschaffen werden und deshalb sind in Ostfriesland im August die Jungtauben, meist kenntlich am fehlenden Halsfleck, frei. Schon Tage vorher hatte Klaus immer wieder spekuliert, wie die Tauben fliegen. Auch einige weitere Stände sollten von Jagdfreunden besetzt werden.
Wir fuhren also gegen 11 Uhr los, um im Schatten einer mit Eichen bewachsenen Wallhecke unser Zauberzeug am Rande eines Weizenfeldes auszubringen.
Auf das „Wie“ kommt es an!
Als erstes prüfte Klaus den Wind, die Tauben sollten gegen den Wind einfallen. Dann baute er etwa 25 m vor dem Schirm („Deckung ist alles“) sein Taubenkarussell auf, dessen Motor zwei Taubenattrappen dauernd im Kreis fliegen lässt. Dieses bildete das Zentrum der in U-Form dahinter in Doppelreihe, gegen den Wind ausgerichtet aufgestellten Locktauben, wobei das Federwild gegen den Wind in dem offenen U einfallen sollen. Die 7 Lockkrähen wurden etwas abseits locker gruppiert.
Klaus war zufrieden mit dem Wetter: Der strahlende Sonnenschein bei recht kräftigem Wind sollte uns in die Karten spielen. Soweit die Theorie, ich war gespannt auf die Praxis, der wir uns nach einem herrlichen Mittagessen, bei dem es sinnigerweise Taubensuppe gab, zuwenden wollten.
Um es kurz zu machen: Von 14 bis 17.30 Uhr hockte ich in dem Schirm, hatte nachher einen steifen Hals und eine leicht durchgewalkte Schulter, löste mich genau 65 Mal und konnte nachher 37 Tauben und 3 Krähen zur Strecke legen. Keine Sekunde hatte ich mich gelangweilt, stand die ganze Zeit unter Hochspannung, konnten doch dauernd aus allen Richtungen Tauben anstreichen. Außerdem kam es ja nicht nur darauf an, irgendeine Taube vom Himmel zu holen, sondern es waren ja nur die Jungen frei. Wichtig war auch zu beachten, wohin die Beute fiel, denn hinter mir erstreckte sich ein Maisfeld, in dem die Grauen auch von Klaus’ Labrador nur schwer zu finden waren. Der Beute wurde kurz nach der Erlegung der Kropf ausgeleert, damit der Kropfinhalt nicht säuerte und das schmackhafte Wildbret verdirbt. Zweimal brachte mein Gastgeber die erlegten Tauben nach Hause, damit sie in der knalligen Sonne nicht verhitzen oder den Schmeißfliegen zum Opfer fallen. Klaus stellte ab und zu mal die Decoys etwas um, doch im Grunde stimmte die Grundausrichtung, auch wenn nur wenige Tauben tatsächlich einfielen. Meist fielen sie eben schon vorher runter…
Könner hätten sicher noch mehr Strecke gemacht, aber ich war restlos zufrieden. Klaus hatte einmal mehr bewiesen, wie man die Lockjagd auf feldernde Tauben durchführt.
Auch die Mitjäger hatten reichlich Waidmannsheil gehabt, so dass abends 106 Tauben sowie 6 Krähen zur Strecke gelegt werden konnten. „Dat gifft dat ok nich alle Dooch!“, meinte Klaus dann auch zufrieden. Und für denjenigen, des des Plattdeutschen nicht mächtig ist, auf Hochdeutsch: Das gibt es auch nicht alle Tage…
Bleibt nachzutragen, dass wir beide noch am selben Abend die gesamte Strecke, sofern die Mitjäger sie nicht haben wollten, versorgten. Mit einer Kühltasche voll leckerer Taubenbrüste trat ich den nächtlichen Heimweg an.
Was kann Jagd schön sein, vor allem wenn man das Gefühl mit nach Hause nimmt, mit Freunden eine gute Zeit verbracht zu haben und wieder willkommen zu sein.